Jesus & die Autoren der Antike

Dr. Markam Mesherky

18 Januar 2020

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Diese Serie untersucht die Spuren Jesu in verschiedenen frühen nicht-christlichen Schriften. Die Reihe soll die Erwähnung Jesu in der heidnischen Literatur, Referenzen im Talmud, in der Toledot Jeschu (eine feindselige Gegengeschichte des Lebens Jesu), in der Geschichte des Koran und der nach-koranischen Auseinandersetzung mit Jesus umfassen.

Jesus in frühen ausserbiblischen Quellen – Teil 1:

Jesus und die Autoren der Antike

Im Folgenden werden einige unabhängige, nicht-biblische Texte vorgestellt, die das Neue Testament, seine Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit als historischer Textzeuge bekräftigen. Ziel ist es, die ausserbiblischen Berichte über die Existenz, das Leben, die Lehren und die Nachfolger Jesu eingehend zu erforschen.

Josephus Flavius (37–100 n. Chr.)

Josephus war ein jüdischer Historiker des ersten Jahrhunderts, der einst eine wichtige Rolle beim Widerstand gegen die Römer in Galiläa spielte, später aber ein pro-römischer Historiker wurde, der über das schrieb, was den Juden passierte.
In seinem Buch «Jüdische Altertümer» finden sich zwei sehr wichtige Hinweis auf Jesus ausserhalb der Bibel. Einer der beiden Texte beschreibt die Verurteilung von Jakobus durch den jüdischen Sanhedrin. Josephus sagt, dass dieser Jakobus «der Bruder Jesu, des sogenannten Christus», war. Dies stimmt mit Galater 1,19 überein, wo Jakobus als «Bruder des Herrn» beschrieben wird. Nur wenige Wissenschaftler haben infrage gestellt, ob Josephus diese Zeilen tatsächlich geschrieben hat.
Zusätzlich zu dieser kurzen Referenz besteht noch eine weitere, die sehr speziell ist. Sie wird als «Testimonium Flavianum» bezeichnet und hat den folgenden Inhalt:
«Etwa zu dieser Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn wirklich einen Mann nennen sollte. Denn er … hat überraschende Taten vollbracht … Er war der Christus. Als Pilatus ihn zur Kreuzigung verurteilte, gaben diejenigen, die ihn geliebt hatten, ihre Zuneigung zu ihm nicht auf. Am dritten Tag erschien er … wieder zum Leben erweckt … Und der Stamm der Christen … ist nicht verschwunden» (Josephus, Altertümer 18.63-64).
Dies ist eine umstrittene Passage, von der viele Wissenschaftler heute annehmen, dass ihr Kern zwar von Josephus stammt, später aber von einem Christen bearbeitet wurde.
Zum Beispiel scheint die Aussage authentisch, dass Jesus ein weiser Mann war, aber der Rest sieht nach dem Versuch aus, den Herrn Jesus zu erhöhen, wenn es ausserdem heisst: «Wenn man ihn tatsächlich einen Mann nennen sollte». Das erweckt Skepsis, denn es ist unwahrscheinlich, dass ein jüdisch-römischer Schriftsteller andeutet, Jesus sei mehr als ein Mensch.
Es ist auch schwierig, die Bekräftigung, dass Jesus der Christus war, als Teil des ursprünglichen Textes zu akzeptieren, besonders da er Jesus im Abschnitt über Jakobus als «den sogenannten» Christus bezeichnet hat.
Eine weitere umstrittene Aussage, da von einem Nichtchristen geschrieben, ist die Behauptung, dass Jesus am dritten Tag wieder zum Leben erweckt worden und Seinen Jüngern erschienen sei.
Wenn wir aber die zweifelhaften Teile dieser Textstelle ausklammern, liegen noch immer viele Informationen über den biblischen Jesus vor. Das entstehende Bild fügt sich gut in die biblische Aufzeichnung ein.
Josephus sagt, dass Jesus, «der sogenannte Christus», ein weiser Mann war, der überraschende Taten vollbrachte. Er wurde unter Pilatus gekreuzigt, aber Seine Anhänger setzten ihre Jüngerschaft fort und wurden als Christen bekannt.
1971 veröffentlichte Pines eine Studie über eine arabische Version der umstrittenen Passage, aus dem 10. Jahrhundert. Der Abschnitt lautet wie folgt:
«Zu dieser Zeit gab es einen weisen Mann, der Jesus genannt wurde. Sein Verhalten war gut und (er) war bekannt dafür, dass er tugendhaft war. Und viele Menschen aus der Schar der Juden und der anderen Nationen wurden seine Nachfolger. Pilatus verurteilte ihn dazu, gekreuzigt zu werden und zu sterben. Aber diejenigen, die seine Jünger geworden waren, gaben seine Jüngerschaft nicht auf. Sie berichteten, dass er ihnen drei Tage nach seiner Kreuzigung erschienen war und dass er am Leben war; dementsprechend war er vielleicht der Messias, über den die Propheten Wunder erzählten.»
Die meisten der zweifelhaften Elemente, die viele Forscher als christliche Veränderungen bezeichnen, fehlen hier. Und in der Tat ist es wohl plausibel, dass keines der Argumente gegen die Verfasserschaft des Josephus auch auf den arabischen Text zutrifft, zumal letzterer weniger Chancen gehabt hätte, von der Kirche überarbeitet zu werden.
Selbst wenn es eine christliche Bearbeitung gab, liefert uns der Kern des Textes (wie auch in der arabischen Übersetzung) wesentliche und glaubwürdige Fakten, die dem historischen Jesus entsprechen.

Cornelius Tacitus (56–118 n. Chr.)

Der römische Historiker Tacitus schrieb einen Bericht über die Entscheidung des Kaisers Nero, die Christen für das verheerende Feuer zu beschuldigen, das 64 n. Chr. die Stadt Rom zerstörte.
«… schob Nero die Schuld auf andere und belegte mit den ausgesuchtesten Strafen jene Menschen, die das Volk wegen ihrer Schandtaten hasste und Christen nannte. Ihr Namensgeber, Christus, war unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden. Für kurze Zeit war jene heillose Schwärmerei dadurch unterdrückt, brach aber aufs Neue aus, nicht allein in Judäa, von wo das Unheil ausgegangen war, sondern auch in der Hauptstadt …» (Tacitus, Annalen 15.44).
Mit einem offensichtlich antichristlichen Tonfall sagt Tacitus, dass die Christen ihren Namen von jemandem namens Christus abgeleitet haben. Dieser Christus wurde hingerichtet, was sich wahrscheinlich auf die Kreuzigung, diese grausame Hinrichtungsmethode der Römer, bezieht. Laut Tacitus geschah dies während der Herrschaft von Tiberius und durch das Urteil von Pontius Pilatus. Diese Details bestätigen eindeutig die Erzählung des Evangeliums über den Tod Jesu.
Darüber hinaus ist Tacitus’ vage Aussage zu beachten, dass «eine heillose Schwärmerei» für eine Zeit unterdrückt worden war, daraufhin aber erneut ausbrach, nicht nur in Judäa, sondern auch in Rom. Etwa achtzig Jahre nach dem erwähnten Ereignis geschrieben, könnten diese Worte, wie ein Historiker sagte, ein «indirektes … Zeugnis … von der Überzeugung der frühen Gemeinde» sein, «dass der gekreuzigte Christus aus dem Grab auferstanden ist».
Laut Edwin Yamauchi ist dieser Abschnitt denn auch «wahrscheinlich der wichtigste Hinweis auf Jesus ausserhalb des Neuen Testaments».

Plinius der Jüngere (61–113 n. Chr.)

Plinius war der römische Statthalter von Bithynien in Kleinasien. In einem seiner Briefe, datiert um 112 n. Chr., schrieb er an Kaiser Trajan und bat um Rat, wie er mit denjenigen umgehen sollte, die als Christen beschuldigt werden. Plinius fragt nach dem rechtlichen Vorgehen und konsultiert den Kaiser, da eine wachsende Zahl von Menschen des christlichen Glaubens beschuldigt wird.
Plinius liefert in seinem Brief einige Informationen, die er über diese Christen gelernt hat:

«Sie versicherten darüber hinaus, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestanden, dass sie sich gewöhnlich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang versammelten, Christus wie einem Gott einen Wechselgesang darbrachten und sich durch Eid nicht etwa zu irgendeinem Verbrechen verpflichteten, sondern keinen Diebstahl, Raubüberfall oder Ehebruch zu begehen, ein Versprechen nicht zu brechen, eine angemahnte Schuld nicht abzuleugnen. Danach seien sie gewöhnlich auseinander gegangen und dann wieder zusammengekommen, um Speise zu sich zu nehmen und zwar ganz gewöhnliche und unschädliche» (Plinius, Briefe x. 96).
Diese wichtige Informationsquelle bringt interessante Erkenntnisse über Jesus sowie über die Überzeugungen und Praktiken der frühen Christen. Nach dem Zeugnis von Plinius trafen sich die Christen regelmässig an einem bestimmten Tag zur Anbetung, die auf Christus ausgerichtet war. Dieser Akt zeigt ihren Glauben an die Gottheit Christi. Plinius’ Ausdruck, dass Christus Wechselgesang dargebracht wurde, «wie einem Gott», dürfte ein Hinweis darauf sein, dass Christen die Person Jesu, die auf Erden gelebt hatte, als Gott verehren. In diesem Fall würde der christlichen Lehre zustimmen, dass Jesus sowohl Gott als auch Mensch ist.
Plinius’ Brief weist auf den Glauben der frühen Christen an die Person Jesu hin, und gibt auch eine Einschätzung Seiner Lehren weiter. Der heidnische Schreiber sagt, dass sich die Christen durch einen Eid verpflichtet haben, keine moralischen Normen zu brechen. Sie sind verpflichtet, sich aller bösen Handlungen zu enthalten, indem sie Raub, Ehebruch oder Wortbruch ablehnen. Offensichtlich sind diese ethischen Prinzipien der Lehre Jesu sehr ähnlich.

Zusätzlich zu dem regelmässigen Gottesdiensttreffen im Morgengrauen, wahrscheinlich der Feier des Herrenmahles, bezieht sich Plinius auf ein weiteres Treffen später am Tag, da es einen Brauch gab, ein gemeinsames Essen zu teilen. Die Mahlzeit wird als eine «gewöhnliche und unschuldige» bezeichnet, die anscheinend die Agape (das Liebesfest) ist. Dies ist ein ganz besonderes Porträt über Jesu Lehren und Seine Nachfolger.

Lukian von Samosata (115–200 n. Chr.)

Lukian war ein griechischer Satiriker des zweiten Jahrhunderts. In einem sarkastischen Tonfall beschreibt er in einem seiner Werke die frühen Christen wie folgt:
«Die Christianer erweisen nämlich noch heute göttliche Verehrung dem bekannten Magier, der in Palästina gekreuzigt worden, weil er diese neuen Mysterien in die Welt eingeführt hatte. … Sodann hat ihnen ihr vornehmster Gesetzgeber die Meinung beigebracht, dass sie alle untereinander Brüder wären, sobald sie übergegangen, das heisst, die griechischen Götter verleugnet und sich zur Anbetung jenes gekreuzigten Sophisten bekannt hätten und nach dessen Vorschriften lebten» (Lukian, Der Tod des Peregrinus, 11.13).
Lukian sagt, dass Christen einen Magier verehrten, der neue Mysterien in die Welt eingeführt hatte. Und obwohl die Anhänger dieses Mannes Ihn eindeutig sehr schätzten, erzürnte Er viele Seiner Zeitgenossen so sehr mit Seiner Lehre, dass Er deswegen gekreuzigt wurde.
Obwohl Lukian sich anonym auf den Gründer der Christengruppe bezieht, ist es offensichtlich, dass er von Jesus spricht. Nach Lukian lehrte Er, dass alle Menschen ab dem Zeitpunkt ihrer Bekehrung Brüder sind. Dann müssen sie die griechischen Götter verleugnen, den Gekreuzigten anbeten und nach Seinen Lehren leben. Obwohl Lukian dies nicht ausdrücklich sagt, deutet die Verleugnung anderer Götter durch die Christen, in Verbindung mit ihrer Anbetung Jesu, den Glauben an, dass Jesus mehr als ein Mensch war. Da sie andere Götter verleugneten, um Ihn anzubeten, waren sie offenbar der Überzeugung, dass Jesus ein grösserer Gott ist.

Fazit

Auch andere nicht-christliche Schriftsteller der Antike erwähnten Jesus und die frühen Christen; hier haben wir aber nur die deutlichsten Quellen untersucht, aus denen wir einiges erfahren.
Sowohl Josephus als auch Lukian zeigen, dass Jesus als weise angesehen wurde. Plinius und Lukian deuten an, dass Er ein verehrter Lehrer war, und Josephus zeigt, dass Er Wunder vollbracht hat. Die Kreuzigung wird von Lukian, Josephus und Tacitus erwähnt; und die letzten beiden sagen, dass dies unter Pontius Pilatus geschah.
Darüber hinaus gibt es mögliche Hinweise auf den christlichen Glauben an die Auferstehung Jesu sowohl in Tacitus als auch in Josephus. Ausserdem weist Josephus darauf hin, dass die Nachfolger Jesu glaubten, Er sei der Messias. Und nach Plinius und Lukian verehrten die Christen Jesus als Gott.
Diese wichtigen nicht-christlichen Quellen aus der Antike bestätigen in der Tat, dass die Berichte der kanonischen Evangelien über Jesus historisch zuverlässig sind.
Die kommenden Teile dieser Serie werden die Vorstellungen von Jesus im Judentum und später im Islam darlegen.